Forum Musikästhetik 2023: Situationismus

 

Das Forum Musikästhetik findet seit 2015 jährlich als öffentliche Veranstaltung statt und wird vom philosophischen Seminar der Universität Basel, dem Musikwissenschaftlichen Seminar und der Musikhochschule FHNW Basel organisiert. In der letzten Ausgabe haben wir das Nachleben und die Vorläufer der Ideen des künstlerischen Situationismus ins Zentrum gestellt. Guy Debord und seine Mitstreiter hatten in den 1950-60er Jahren das politisch-künstlerische Programm aufgestellt, Kunstproduktion nicht als das Herstellen von Werken und Spektakeln, sondern als Kreation von sozialen Situationen zu betreiben. Die Bewegung selbst hatte bekanntlich nur ein kurzes Bestehen, aber die Ideen scheinen uns bis heute fortzuwirken, besonders auch in den Kunstformen, die mit Klang arbeiten. Die Arbeitshypothese des Treffens ist, dass eine Reihe von gegenwärtigen Praktiken als Abwandlungen des situationistischen Kunstprogramms verstanden werden können – wobei diese Rückgriffe meist implizit bleiben und mit anders gelagerten politischen Ansprüchen verbunden sind.

 

Organisation: Christoph Haffter, Gunnar Hindrichs, Johannes Menke, Matthias Schmidt

 

Vorläufiges Programm

Musikwissenschaftliches Seminar, Petersgraben 27

 

30.11. 2023

15h Begrüssung

15h15-16h30h Gunnar Hindrichs

Einleitende Bemerkungen zum Situationsbegriff

 

17h-18h30 Neo Hülcker

Strategien situativer Komposition

 

1.12. 2023

9h30-10h30 Christoph Haffter

Widersprüchliche Nachgeschichte der situationistischen Gesellschaftkritik

 

11h00 -13h Johannes Keller & Michael Kleine

Alte Musik Situationen

 

Als Gäste zur Diskussion eingeladen sind Tobias Janz und Nina Noeske

Archiv

 

Das Basler Forum für Musikästhetik

 

2015 haben Prof. Gunnar Hindrichs, Prof. Johannes Menke und Prof. Matthias Schmidt das Basler Forum für Musikästhetik gegründet. Mit ihm haben sie die in Basel verfolgten Fragestellungen zu diesem Thema gebündelt, neue Richtungen ihres Fragens entwickelt und durch die jährliche Versammlung von Expertinnen und Experten zu intensiven Diskussionsrunden in Basel die am Ort verfolgte Arbeit mit auswärtigen Forschungen vernetzt. Ein besonderes Kennzeichen dieser Diskussionen ist der Einbezug der Gegenwartsmusik, insbesondere der Komposition selber, ihre Verknüpfung mit Untersuchungen zur älteren Musik sowie die Aufarbeitung liegengebliebener Diskussionsstränge der drei beteiligten Wissenschaften: Musikwissenschaft, Philosophie und Musiktheorie. Die Foren wurden jeweils in der führenden Fachzeitschrift Musik & Ästhetik angekündigt. Sie werden von eigens geladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Basel und andernorts getragen, stehen aber allen Interessierten offen. Den geladenen sowie rechtzeitig angemeldeten Gästen gehen ausgewählte Texte, Notenmaterial und perspektivische Fragestellungen zu, so dass ein gemeinsamer Boden der Diskussion bereits im Voraus erarbeitet wird, auf dem dann die Diskussion vor Ort sich vollzieht. Dieses Vorgehen hat verschiedene musikalische Fachperspektiven auf eine im deutschen Sprachraum bis dahin nicht vorhandene Weise verbunden.

 

Die bisherigen Foren widmeten sich den folgenden Themen:

2022    Überforderung

Auswärtige Gäste: Claus-Steffen Mahnkopf (Leipzig), Kai Johannes Polzhofer (Copenhagen), Leila Schayegh (Basel), Monika Voithofer (Wien)

2021    Was ist Alte Musik?

Auswärtige Gäste: Louis Depelch (Zürich), Tobias Janz (Bonn), Ina Knoth (Hamburg), Kai Köpp (Bern), Jeremy Llewellyn (Wien), Nina Noeske (Hamburg)

2019    Zeitgenössisch

Auswärtige Gäste: Markus Böggemann (Musikwissenschaft, Kassel), Tobias Janz (Musikwissenschaft, Bonn), Jim Igor Kallenberg (Musikkritik, Wien), Oliver Korte (Komposition, Lübeck), Nina Noeske (Musikwissenschaft, Hamburg)

2018    Manierismus

Auswärtige Gäste: Markus Böggemann (Musikwissenschaft, Kassel), Tobias Janz (Musikwissenschaft, Bonn), Nina Noeske (Musikwissenschaft, Hamburg), Sven Schwannberger (Musiktheorie, Wien), Hakan Ulus (Komposition, Huddersfield)

2017    Tiefe

Auswärtige Gäste: Markus Böggemann (Musikwissenschaft, Kassel), Florian Edler (Musiktheorie, Bremen), Tobias Janz (Musikwissenschaft, Bonn), Nina Noeske (Musikwissenschaft, Hamburg), Brice Pauset (Komposition, Freiburg im Breisgau), Matthias Vogel (Philosophie, Gießen), Magdalena Zorn (Musikwissenschaft, München)

2016    Verweigerung

Auswärtige Gäste: Péter Dániel Biró (Komposition, Victoria), Matthias Handschick (Musikpädagogik, Saarbrücken), Volker Helbing (Musiktheorie, Hannover), Tobias Janz (Musikwissenschaft, Kiel), Cosima Linke (Musikwissenschaft, Freiburg im Breisgau), Matthias Vogel (Philosophie, Gießen)

2015    Musikalische Werturteile

Auswärtige Gäste: Markus Böggemann (Musikwissenschaft, Kassel), Tobias Janz (Musikwissenschaft, Kiel), Ariane Jeßulat (Musiktheorie, Berlin), Nina Noeske (Musikwissenschaft, Hamburg), Hannes Seidl (Komposition, Frankfurt am Main), Matthias Vogel (Philosophie, Gießen)

 

Die Foren wurden öfters von verschiedenen akademischen Veranstaltungen flankiert. So gaben Gunnar Hindrichs und Matthias Schmidt im Vorfeld des ersten Forums ein Seminar zum Thema «Musikalische Werturteile» sowie in der Folge des dritten Forums ein Seminar zum Thema «Musikalischer Futurismus»; Matthias Schmidt widmete sein Forschungsseminar begleitend zum zweiten Forum dem Thema «Musikalische Tiefe. Ideen und Ideologien»; und Johannes Menke und Matthias Schmidt veranstalteten eine Übung in Kooperation von Musikakademie und Universität zum Thema «Musik und Manierismus» in Begleitung zum vierten Forum. Dadurch wurden Studierende zu den Fragestellungen des Forums hingeführt und konnten sinnvoll an ihnen mitwirken.

 

Form und Wirkung

 

Das Ziel der Foren war und ist es, eine Selbstverständigung zwischen mindestens vier verschiedenen Fachgebieten zu initiieren: Musikwissenschaft, Musiktheorie, Komposition und Musikphilosophie. Zusätzlich zu den auswärtigen und lokalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus diesen Fachgebieten wurden 2016 der Musikpädagoge Matthias Handschik (Universität Saarbrücken) und 2018 der Kunsthistoriker Gian Caspar Bott (Museum Kleines Klingental Basel) eingeladen. Zudem nehmen regelmässig auch praktische Musikerinnen und Musiker teil.

Wir haben in den letzten Jahren mit wechselnden Formaten gearbeitet. In den ersten beiden Foren erfolgten jeweils sechs Referate mit anschliessenden Diskussionen. Im dritten Forum wurden jeweils ein einstündiges Referat pro Halbtag gehalten. Im vierten und fünften Forum erfolgte jeweils ein zwanzigminütiges Referat pro Halbtag. Im Vorfeld eines jeden Forums wird eine reichhaltige, verbindliche Lektüreliste sowie Notenmaterial für alle Gäste versendet, auf deren Grundlage die Diskussion erfolgen. Die Diskussionen sind sehr kontrovers, da verschiedenen Richtungen (kulturwissenschaftliche, historische, geschlechterperspektivische, werkontologische, medientheoretische und subjektivitätsphilosophische Ansätze) aufeinandertreffen. Hinter das inzwischen erreichte gemeinsame Verständigungspotential soll nicht mehr zurückgefallen werden.

Gemäss ihrem Ziel sind die Foren nicht auf eigene Publikationen angelegt. Der fehlende Publikationsdruck wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als intellektuell befreiend wahrgenommen. Angeregt durch unsere Diskussionen sind jedoch die folgenden Einzelpublikationen entstanden:

2015    Musikalische Werturteile

Gunnar Hindrichs: «Musikalische Werturteile und ästhetisches Urteil», in: Dániel Péter Biró und Kai Johannes Polzhofer (Hrsg.): Perspectives for Contemporary Music in the 21st Century, Hofheim: Wolke 2016, S. 181-188.

Johannes Menke, Musiktheorie und Werturteil. Beobachtungen zur Geschichte eines systematischen Faches, in: Musik & Ästhetik, 2016, Heft 80, S. 76-84

Tobias Janz: «Ästhetische Autonomie und das Ethos der Kunstmusik in der Moderne», in: Melanie Wald-Fuhrmann und Nikolaus Urbanek (Hrsg.): Von der Autonomie des Klangs zur Heteronomie der Musik, Stuttgart: Metzler 2018, S. 157-178.

Nina Noeske: «Erkenntnis, Interesse und Werturteil. Gender-Forschung in der Musikwissenschaft», in: genderstudies. Zeitschrift des interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung der Universität Bern #33 (Herbst 2018), S. 2-4.

Matthias Schmidt: «Problemgeschichten der Musikwissenschaft. Eine ‹Re-Lektüre› von Carl Dahlhaus’ Grundlagen der Musikwissenschaft», in: Musik & Ästhetik 82 (2017), S. 85-91.

2016    Verweigerung

Matthias Handschick: «Verweigerung als Ausgangspunkt. Anmerkungen zum Umgang mit kritischer Neuer Musik im Kontext ihrer Vermittlung», in: Musik & Ästhetik 82 (2017), S. 74-84.

Gunnar Hindrichs: «Peripetien der Verweigerung», in: Zeitschrift für kritische Theorie 23 (2018), S. 144-157.

Cosima Linke: «‹Schreiben› als Differenz von Stille und Klang. Aspekte der musikalischen Form in Helmut Lachenmanns ‹Schreiben. Musik für Orchester›», in: Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 13/1 (2016). http://www.gmth.de/zeitschrift/artikel/876.aspx.

Matthias Vogel: «Musik und Geste – Wahlverwandtschaft oder zufällige Liaison?», in: Katrin Eggers und Christian Grüny (Hg.): Geste und Musik. Theorien, Ansätze, Perspektiven, Paderborn: Fink 2018, S. 51-70.

Tobias Janz, »Widerstehe doch der Sünde« Bach, Broch und die Ästhetik der Verweigerung, in: Musik & Ästhetik, 2022, Heft 104, S. 39-53.

2017    Tiefe

Gunnar Hindrichs: «Towards a General Theory of Musical Works and Musical Listening», in: Paolo de Assis (Hrsg.): Virtual Works – Actual Things. Essays in Musical Ontology, Leuven:  Leuven University Press 2018 (Orpheus Series in Music), S. 65-88.

Magdalena Zorn: «Mein Kanon – dein Kanon. Der Kanon als Hypothese in einer pluralistischen Wissenskultur», in: Musik & Ästhetik 88 (2018), 87–91.

2018    Manierismus

Im Nachklang zu dieser Tagung sind uns keine Publikationen bekannt geworden.

2019    Zeitgenössisch

Tobias Janz: «Über musikalische Entdifferenzierung», in: Musik & Ästhetik 24 (2020), Heft 95, S. 93-111

Jim Igor Kallenberg: «Musik als Zeitgenossin», erscheint in: Musik & Ästhetik (2021).

Nina Noeske: «(Selbst-)Reflexion in der Gegenwartsmusik – mit einigen Notizen zum Thema ‘Gender’», in: positionen 32/118 (2019), S. 27-38.